Hans-Joachim Niemann (1993)
Die Strategie der Vernunft
Rationalität in Erkenntnis,
Moral und Metaphysik
Vieweg Verlag Braunschweig/Wiesbaden 1993
Bd. 38 der Reihe Wissenschaftstheorie, Wissenschaft und Philosophie
(hrsg. von Siegfried J. Schmidt) - ISBN 3-528-06522-2
Im Sinne des Kritischen Rationalismus ist vernünftig, wer sich entschließen kann, Probleme zu lösen, die Lösungen zusammen mit anderen kritisch zu diskutieren und aus möglichst vielen Alternativen die für alle Beteiligten akzeptabelste Lösung auszuwählen.
Dieses Problemlösungsverhalten hat sich letztlich als der methodische Kern einer Rationalität erwiesen, die nun auch auf den nichtwissenschaftlichen Gebieten der Metaphysik und Moral zu objektiv nachvollziehbare Entscheidungen möglich macht. Wo ein Ziel erkennbar ist, und das ist bei metaphysischen Theorien und ethischen Prinzipien in der Regel der Fall, kann man auch prüfen, ob das Ziel erreicht wird und ob es besser erreicht wird als mit irgend einem alternativen Vorgehen.
Die früher schwierigen Begriffe 'Vernunft' und 'Vernünftigsein' kondensieren nun zu einer einfachen Leitidee:
Vernünftig ist, wer Probleme lösen will, und zwar so, dass alle Betroffenen berücksichtigt werden.
Diese einfache Idee kann jeder täglich anwenden: in Politik und Alltagsdenken, in Moral und Metaphysik, im Rechtswesen und in der Wirtschaft, sogar in so wissenschaftsentfernten Gebieten wie Kunst und Religion.
Dieses Buch ist die Grundlegung einer Kritisch-Rationalen Ethik
Was Popper über dieses Buch schrieb.
Die 1993er Ausgabe ist nur noch via Universitätsbibliotheken erhältlich (z. B. OPAC UB Erlangen; Library of Congress) oder antiquarisch. Siehe aber die inhaltsgleiche, umgeschriebene, zweite verbesserte und erweiterte Auflage von 2008:
Hans-Joachim Niemann
Die Strategie der Vernunft – Problemlösende Vernunft, rationale Metaphysik und Kritisch-Rationale Ethik, 2. verbesserte und erweiterte Aufl., Tübingen (Mohr Siebeck) 2008. 306 S., ISBN 978-3161498787.
In der Strategie der Vernunft wird Karl Poppers Kritischer Rationalismus und sein ›Erfolgsrezept der Wissenschaften‹ zu einem allgemeinen Problemlösungsverfahren erweitert, das in der Lage ist, auch in Bereichen wie Ethik, Recht, Politik, Theologie und im Alltagsleben die anstehenden Probleme in objektiv nachvollziehbarer Weise zu lösen.
Die dabei zur Geltung kommende ›problemlösende Vernunft‹ konfrontiert die Problemlösung nicht nur, wie in den Wissenschaften, mit Fehlern und Alternativen, sondern berücksichtigt auch alle Betroffenen und die vernetzten Probleme.
Ihre Hauptanwendung ist hier die Kritisch-Rationale Ethik. Mit ihr sind moralische Probleme in nachprüfbarer Weise lösbar, und zwar dadurch, dass sorgfältig zwischen moralischen Werten und Lebenswerten unterschieden wird und dass die so genannten ›Haupt- oder Metaprobleme der Moral‹ beachtet werden: die beste Problemlösung herausfinden; das Durchsetzungsproblem der Moral ernstnehmen; genetisch oder traditionell fest verankerte ›alte Moral‹ in die Erwägung einbeziehen; und schließlich noch die so genannten ›strategischen Verkürzungen‹ berücksichtigen, die daher rühren, dass Moral nur in kurzen und daher ungenauen Regeln verbreitet werden kann. Wegen ihrer ›Metaprobleme‹ kann praktische Moral immer nur ein Kompromiss sein; doch ist die jeweils beste Lösung rational überprüfbar.
In dieser Methodik unterscheidet sich die Kritisch-Rationale Ethik insbesondere von konsequentialistischen, utilitaristischen und deontologischen Ansätzen. Sie legt damit den Grund für eine empirisch arbeitende wissenschaftliche Ethik.